Allgemeine Zeitung München, 16.
November 1888
London, 13. Nov. (Der Mord in Whitechapel.)
Trotz aller Bemühungen
der Polizei ist der Urheber der jüngsten
neuen Blutthat im Osten Londons noch nicht entdeckt worden. An
Verhaftungen hat es zwar nicht gefehlt, da die in Haft Genommenen
aber ihre Unschuld nachweisen konnten, so wurden sie gewöhnlich
schon nach wenigen Stunden wieder freigelassen, und so befindet
sich denn der Thäter noch immer auf freien Füßen,
um wahrscheinlich, sobald sich die Aufregung der Bevölkerung
und die Wachsamkeit der Behörden etwas gelegt, sein blutiges
Werk von neuem zu beginnen.
Gestern hat die gerichtliche Untersuchung der mit der Ermordung
der Mary Jane Kelly in Millers-court, Dorset-street, Spitalfields,
am 9. dieses Monats verknüpften
Umstände stattgefunden, aber nicht die mindesten Anhaltspunkte ergeben,
welche zur Entdeckung des Thäters führen könnten. Es konnte
nicht einmal Zeit und Stunde des Mordes festgestellt werden.
Eine Zeugin bekundete, dass sie am Donnerstag um Mitternacht die Ermordete
in Begleitung eines Mannes ihr Haus betreten sag, uns sie fügte hinzu,
dass sie im Stande sei, den Mann zu identificiren, wenn sie ihn wieder sehe.
Andere Zeugen erklärten, dass sie zwischen 3 und 4 Uhr am Freitag Morgen
Jemanden „Mord“ schreien hörten.
Eine Zeugin bekundete indeß, dass sie die Kelly am Freitag
Morgen um halb 9 Uhr noch gesehen habe. Die Geschwornen gaben nach
kurzer Berathung ihren Wahrspruch auf vorsätzlichen Mord,
begangen von einer oder mehreren Personen, ab.
Thomas
Schachner
(Dokument
zuletzt bearbeitet am 03.12.04)