Daily Chronicle, 29. Dezember 1888
Der Poplar-Mord
Auf Nachfragen in der East-End Polizeistation letzte
Nacht wurde unserem Mitarbeiter mitgeteilt, dass trotz größter
Anstrengungen der Polizei keinerlei Hinweise gewonnen werden
konnten, die Auskunft über die Identität der Mörder
der Frau namens Mylett oder Davies geben könnten. Die Beamten
waren den ganzen Tag damit beschäftigt, in Spitalfields
nach den Personen zu suchen, mit denen die Verstorbene vor ihrem
Tode in Begleitung gesehen wurde. Die Auskünfte, die der
Polizei mitgeteilt wurden, werden als kaum hilfreich betrachtet
und waren bisher bei den Ermittlungen von keinerlei Nutzen. Es
wurde an verschiedene Polizeistationen die Order herausgegeben,
bei Personen, die Aussagen machen wollen, den Namen und die Adresse
zu notieren, und dass die Aussage mit dem Vermerk „besonders
wichtig“ an die übergeordnete Divisionsstation in
Bow weitergeleitet werden soll. Aufgrund der äußerst
ungewöhnlichen Umstände des Todes der Unglücklichen
gibt es verschiedene, sich widersprechende Theorien von denen,
die den Fall bearbeiten. Dr. Brownfield, der Divisionsarzt der
Polizei hat, so wurde gesagt, keinerlei Grund, seine Aussagen
bei der Anhörung zu revidieren – und zwar, dass die
Verstorbene auf widerliche Art und Weise ermordet wurde. Der
Mediziner, der bei der Anhörung befragt wurde, war nicht
nur der Meinung, dass die Verstorbene ermordet wurde, sondern
auch dass die Tat, die einer geschulten Hand war. Eine zweite
Untersuchung der Leiche wurde nach der Anhörung gemacht,
und auf der Haut, die am Hals entfernt wurde, wurde geronnenes
Blut entdeckt, was beweise, dass von außen ein beachtlicher
Druck ausgeübt worden sein musste. Es wird vermutet, dass
sensationelle medizinische Erkenntnisse bekannt werden, wenn
die richterliche Anhörung am Mittwoch fortgesetzt wird.
Mr. Charles Ptolomey, dessen Name schon gestern in unseren Kolumnen
auftauchte, als jener, der die Verstorbene mit zwei Seeleuten nahe
an der Stelle, an der sie später tot aufgefunden wurde, gesehen
hatte, hat Besuch von Scotland Yard bekommen. Mr. Ptolomey, der
des Nachts bei der Poplar Union anwesend war, machte gestern folgende
Angaben bei einem unserer Reporter: „Letzten Abend kamen
Detektive von Scotland Yard, um mich bezüglich dieser mysteriösen
Angelegenheit zu sehen. Sie fragten mich, ob ich die Seemänner
wieder erkennen könne. Ich sagte ihnen, dass ich die Männer
zwischen tausend anderen wieder erkennen würde. Auf folgende
Art und Weise bekam ich sie zu Gesicht: Es war 5 Minuten vor 8
Uhr am Mittwochabend, als ich zur Arbeit ging. Während ich
die England-Row (fast gegenüber des Clarke’s Yard) hinaufging,
bemerkte ich zwei Seeleute. Der Kleinere sprach zu der Verstorbenen
und der Größere ging hin und her. Es war so merkwürdig,
dass ich anhielt und sie mir genauer ansah. Dann hörte ich,
wie die Verstorbene mehrmals „Nein, nein, nein“ sagte,
während der kleinere Seemann in tiefer Stimme sprach. Der
Große war ungefähr 1,80m groß. Er sah aus wie
ein Yankee. Der Kleinere war rund 1,70m groß. Es war mir
klar, dass sie dort nichts Gutes im Schilde führten, weswegen
ich auch ganz genau hinsah. Ich werde mich ihrer Gesichter für
immer erinnern und kann sie, wie ich bereits sagte, aus tausend
wieder erkennen. Ich war im Leichenhaus und habe die Verstorbene
gesehen. Es ist die gleiche Frau und sie war nüchtern, als
ich sie mit den Seemännern sah.“
Eastsidemags
(Dokument
zuletzt bearbeitet am 18.01.05)